Clevere Materialien von Mutter Natur
Foto: Columbia
Sich von der Natur inspirieren zu lassen, ist kein neuartiges Konzept. Dafür werden Technologien immer innovativer – auch in einem Bereich, wo man es auf den ersten Blick nicht sofort erkennt: Bekleidung. Natürliche Rohstoffe wie Wolle, Hanf und Kaffee haben einzigartige Eigenschaften, von denen jede*r Outdoor-Liebhaber*in nur profitieren kann. Entdecke die spannendsten Materialien zum Überziehen.
Schon bevor die Fridays-for-Future-Bewegung Themen wie Klimawandel, Umweltschutz und Nachhaltigkeit noch stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt hat, haben viele Outdoor-Marken an umweltverträglicheren Materialien und Produktionsweisen gearbeitet. Inzwischen setzen sie dabei immer öfter auf Naturfasern, weil diese aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und über bestimmte Funktionen verfügen, die bei körperlichen Aktivitäten oder unterschiedlichen Witterungsverhältnissen wünschenswert sind.
Die Tatsache, dass ein Kleidungsstück aus nachwachsenden Materialien besteht, bedeutet zwar nicht automatisch, dass es nachhaltig oder etwa „gut für die Umwelt“ ist. Denn auch diese Rohstoffe müssen irgendwie wachsen, geerntet, transportiert und verarbeitet werden, was jeweils weitere Ressourcen verbraucht und eine Einwirkung auf die Natur darstellt.
Aber wir möchten hier dennoch eine Reihe Naturfasern vorstellen, die inzwischen immer öfter von einigen Outdoor-Marken verwendet werden. Dabei werden ihre funktionalen Eigenschaften aufgezeigt, bestimmte Vor- und Nachteile erläutert und auch gewisse Aspekte der Produktion beleuchtet.
Unser Ziel ist es dabei nicht, diese Materialien als besonders nachhaltig oder grundsätzlich „besser“ darzustellen. Selbst Begriffe wie Naturfasern oder Naturmaterialien sind gewissermaßen eine Fehlbezeichnung, denn die Fasern treten schließlich nicht natürlich so auf. Im Gegenteil: sie sind in der Regel entweder tier- oder pflanzenbasiert. Um zu Garn, Stoff oder Gewebe verarbeitet zu werden, müssen die Grundstoffe immer geerntet und verarbeitet werden.
Aber mit diesem Artikel hoffen wir, das komplizierte Netz sogenannter Naturmaterialien etwas zu entwirren, damit du deine Kaufentscheidungen besser informiert treffen kannst. Neben altbekannten Materialien wie Merinowolle und Daunen lernst du dabei auch noch relativ unbekannte Stoffe wie Kaffee- und Seetang-basierte Fasern kennen.

Merinowolle – temperaturregulierend, geruchshemmend & kuschlig weich
Merinowolle hat sich in den letzten Jahren zu einer der beliebtesten Funktionsfasern, wenn nicht sogar zum Star oder Wundergarn der Outdoor-Branche entwickelt. Lange vorbei sind die Zeiten, in denen Wolle dick gestrickt war und kratzte. Merinowolle ist weich, angenehm und zudem noch geruchshemmend. Besonders gerne wird es daher für Funktionsunterwäsche und Socken verwendet, sowohl bei kalten als auch bei heißen Temperaturen. Auch Kleidung, die mehrere Tage lang getragen werden muss, bleibt mit Merinowolle schön frisch.
Das kommt nicht von ungefähr: Merinoschafe sind echte Überlebenskünstler. Ursprünglich aus Nordafrika stammend, aber inzwischen hauptsächlich in Australien und Neuseeland beheimatet, ist ihr Fell speziell darauf ausgerichtet, die Körpertemperatur bei extremen Temperaturunterschieden von –10 °C bis zu 30 °C optimal zu regulieren. Bei Kälte hält es warm und kühlt wiederum bei Hitze.
Diese Eigenschaften behält die Wolle auch, wenn sie zu Garn verarbeitet wird. Durch die gekräuselte Struktur der Wolle, entstehen Luftkammern, die dich warmhalten und für einen schnellen Abtransport von Feuchtigkeit sorgen. Aber selbst, wenn sie Nass ist, kann Merinowolle noch wärmen. Im Gegensatz zu klassischer Schafwolle lässt sich Merinowolle zu äußerst feinen Fäden verspinnen, sodass auch besonders die kühlenden Eigenschaften bei Hitze und schweißtreibenden Outdooraktivitäten ihre Wirkung zeigen können.
Ausführliche Informationen zu Merinowolle und weitere Tipps findest du in unserem CAMPZ-Guide für Merinowolle .
Typische Hersteller von Outdoor-Bekleidung aus Merinowolle:
Outdoor-Bekleidung aus Merinowolle eignet sich perfekt für:
- Skitouren
- Wandern
- Bergsteigen bei unterschiedlichen Temperaturen


Schurwolle - bewährte Wärme, von Natur aus
Auch die seit Jahrhunderten bekannte Schurwolle hat ihre Daseinsberechtigung noch nicht verloren. Bis heute kommt kaum eine Kunstfaser der Welt an die herausragenden Eigenschaften von Wolle heran. Sie ist temperaturregulierend, atmungsaktiv, wasserabweisend, geruchshemmend und schwer entflammbar – perfekt also für Outdoor-Aktivitäten bei kalten Temperaturen.
So manch eine isolierende Jacke kann getrost zu Hause bleiben, wenn du stattdessen einen wärmenden Wollpullover überziehst. Denn die atmungsaktiven Eigenschaften verhindern, dass du unter dem Pullover schwitzt und trotzdem bleibst du aufgrund der Luftkammern in den Fasern wohlig warm.
Auch als Füllung für Schlafsäcke eignet sich Schurwolle bestens. Da sie allerdings nicht so leicht ist wie Daunen oder Kunstfasern, wird sie hier nur verwendet, wenn es nicht auf das Gewicht ankommt.

Daunen – Ausschau nach recycelten Daunen halten
Die hervorragenden Eigenschaften von Daunen sind allseits bekannt und werden bei Outdoor-Fans sehr geschätzt. In der Natur dienen sie dazu, die Körperwärme von Vögeln zu regulieren und sie vor Umwelteinflüssen wie Wind, Wasser und Kälte zu schützen.
Ihre Gewinnung ist jedoch nicht frei von ökologischen sowie moralischen Bedenken. Zum Glück gibt es mittlerweile Bekleidung aus recycelten Daunen. Für diese werden Daunenfasern aus alter Bekleidung, Schlafsäcken und Co. gewonnen, um sie so als Füllmaterial wiederverwenden zu können.
In ihrer Funktion stehen recycelte Daunen den frisch gewonnen in der Regel in nichts nach, weil die Daunen von Natur aus viel mehr aushalten müssen als im Futter einer Jacke oder eines Schlafsacks.
Typische Hersteller von Outdoor-Bekleidung aus Daunen:
Outdoor-Bekleidung aus Daunen eignet sich perfekt für:
- eiskalte Temperaturen, wenig Bewegung

TENCEL oder Lyocell – weich, weicher, Lyocell
Lyocell hat eine weiche, seidenartige Haptik und wird aus Zellulosefasern hergestellt, die über chemische Verfahren aus Eukalyptusbäumen gewonnen werden. Es ist auch unter dem geschützten Markennamen TENCEL der österreichischen Lenzig AG bekannt. Lyocell wird speziell aus schnell nachwachsenden, wenig Wasser verbrauchenden Eukalyptusbäumen produziert. Um nachhaltig zu sein, muss dieses Holz aus kontrollierter Forstwirtschaft stammen und bestimmte Vorgaben erfüllen.
Bei der Verarbeitung von Eukalyptus zu Lyocell werden Holzschnipsel in einer Lösung mit Aminoxiden eingeweicht, um die Zellulose zu lösen. Anschließend wird der Brei erhitzt, um das Wasser zu entziehen und aufzufangen. Die gewonnene Zellulose wird dann durch Spinndüsen gepresst und zu Garn versponnen. Die verwendeten Lösungsmittel werden hinterher wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt und erneut verwendet, aber sie sind auch biologisch abbaubar, was den Prozess umweltverträglicher als viele andere Verfahren macht.
Lyocell kann durch mikroskopisch feine Härchen in den Fasern sehr gut Feuchtigkeit von der Haut abtransportieren, ist atmungsaktiv und temperaturregulierend. Dadurch wirkt es bei Kälte wärmend und bei Hitze kühlend. Ähnlich wie Merinowolle hemmt Lyocell das Bakterienwachstum und die Geruchsbildung, weshalb es gerne für Funktionswäsche verwendet und auch mit anderen Fasern gemischt wird. Weitere Vorteile sind die hohe Flexibilität, Hautfreundlichkeit und Robustheit.
Ausführliche Informationen und weitere Tipps zu TENCEL bzw. Lyocell findest du in unserem TENCEL Guide
Typische Hersteller von Outdoor-Bekleidung aus TENCEL / Lyocell:
Outdoor-Bekleidung aus TENCEL / Lyocell eignet sich perfekt für:
- sportliche Aktivitäten

Viskose – aus Holz hergestellt, aber weich wie Seide
Viskose gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert und sie wurde wegen ihrer Weichheit früher auch als Kunstseide bezeichnet. Ähnlich wie Lyocell wird sie aus Holzzellulose gewonnen, allerdings aus den jeweils heimischen Baumarten. Ihre Produktion ist aber weniger streng reguliert und die Verfahren können sich von Hersteller zu Hersteller stark unterscheiden.
Zur gewonnenen Zellulose werden verschiedene chemische Stoffe hinzugefügt, die aus dem Endprodukt eine halbsynthetische Chemiefaser (aber keine Kunststofffaser) machen. Die industrielle Herstellung von Viskose ist relativ günstig und kommt auf der ganzen Welt zum Einsatz. Allerdings ist sie durch die Produktionsweise der Bäume und die verwendeten Chemikalien oft umweltschädlich.
Häufig wird Viskose zur Verfeinerung gemeinsam mit anderen Stoffen wie Baumwolle verarbeitet und in ganz unterschiedlichen Textilien eingesetzt. Viskose fühlt sich angenehm weich auf der Haut an, ist sehr pflegeleicht und absorbiert Feuchtigkeit ideal.
Typische Hersteller von Outdoor-Bekleidung aus Viskose:
- weit verbreitet
Outdoor-Bekleidung aus Viskose eignet sich perfekt für:
- sportliche Aktivitäten und sommerliche Temperaturen

Modal – ultraweich und langlebig
Modal ist ein halbsynthetisches, sehr weiches Gewebe, das aus Buchenholz gewonnen wird. Im Grunde ist es eine Spezialform von Viskose, jedoch etwas haltbarer und elastischer als die Standardversion. Modal wird oft mit anderen Fasern wie Baumwolle und Elasthan vermischt, um zusätzliche Festigkeit zu erhalten, und besonders gerne für Unterwäsche und andere hautnahe Kleidungsstücke verwendet.
Allen voran überzeugt Modal durch sein tolles Tragegefühl. Der Stoff wirkt eher kühlend als wärmend, eignet sich also perfekt für schweißtreibende Aktivitäten und höhere Temperaturen. Außerdem haben die Fasern ein hervorragendes Wasseraufnahmevermögen und leiten Feuchtigkeit verlässlich ab. In Kombination mit Merinowolle kommt Modal aber auch in warmer Outdoor-Unterwäsche zum Einsatz, wo es für einen noch flexiblen Temperaturausgleich sorgt.
Typische Hersteller von Outdoor-Bekleidung aus Modal:
Outdoor-Bekleidung aus Modal eignet sich perfekt für:
- heiße Sommertage, sportliche Aktivitäten

SeaCell – aus dem Meer in deinen Kleiderschrank
Bekleidung aus Seetang? Klingt erstmal schräg, ist aber eine super Sache! Algen sind bekanntlich reich an Vitaminen, Spurenelementen, Aminosäuren und Mineralien. Diese Substanzen aktivieren die Zellerneuerung, was wiederum Hauterkrankungen, Entzündungen und Juckreiz lindern kann.
Algen enthalten außerdem Antioxidantien, die unsere Haut vor schädlichen freien Radikalen schützen. Der natürliche Feuchtigkeitsgehalt der Haut ermöglicht einen aktiven Austausch mit den aus Algen gewonnenen Fasern, welcher wiederum für spürbares Wohlbefinden sorgt.
Bei der Herstellung werden Algen getrocknet, gemahlen, in Zellulosefasern gebunden und anschließend wie Lyocell oder Modal gesponnen. Die gemütlichen, umweltfreundlichen Fasern aus Algen sind also nicht nur etwas für Aquaman!
Ausführliche Informationen und weitere Tipps zu SeaCell findest du in unserem SeaCell Guide
Typische Hersteller von Outdoor-Bekleidung aus SeaCell:
- Smartfiber
Outdoor-Bekleidung aus SeaCell eignet sich perfekt für:
- empfindliche Hauttypen

Leinen – eine Naturfaser mit Tradition
Leinenfaser ist ein robustes und langlebiges Produkt, das aus den Stängeln der Flachspflanze gewonnen wird. Flachs kann gut im mitteleuropäischen Klima angebaut werden, ist wenig anspruchsvoll und kommt mit weitaus weniger Wasser aus als Baumwolle. Die Verarbeitung ist zwar aufwändig und zeitintensiv, kann aber ohne Chemikalien erfolgen. Stattdessen wird das Stroh durch natürliche Gärprozesse und mechanische Verfahren so bearbeitet, dass die Naturfasern gewonnen werden.
Leinenstoff ist sehr glatt und schließt nur wenig Luft ein. So bleibt er lange flusenfrei und lässt sich leicht sauber halten. Kleidung aus Leinenfaser tauscht Feuchtigkeit mit der Umgebungsluft schnell aus und wirkt daher kühlend. Zudem ist Leinen von Natur aus sehr robust und muss nicht industriell gestärkt werden, wie es bei Baumwolle der Fall ist. Nur eine geringe Elastizität und hohe Knitteranfälligkeit musst du dafür in Kauf nehmen.

Hanf – die Naturfaser altbekannt und neu entdeckt
Lange verpönt und sogar verboten, wurde das Potential von Hanf als Naturmaterial von vielen verkannt. Aber sein Potential als Nutzpflanze war schon vor Jahrhunderten bekannt. Die robuste, langlebige Faser spielte eine Schlüsselrolle in der Bekleidungsherstellung, bis sie von Baumwolle und anderen natürlichen und synthetischen Stoffen verdrängt wurde.
Im Vergleich zu konventioneller Baumwolle lässt sich aus Hanf jedoch weitaus mehr Stoff mit weniger Aufwand gewinnen, denn er benötigt weniger Wasser und Land zum Anbau und in der Verarbeitung. Darüber hinaus können Hanfpflanzen leicht im europäischen Klima angebaut werden und sind wenig anspruchsvoll.
Bekleidung aus Hanf ist angenehm zu tragen und superrobust. Früher wurde Hanf bevorzugt für schwere Arbeitskleidung verwendet. Aber das Material verleiht den Stoffen auch einen natürlichen Glanz und kann ähnliche Eigenschaften wie Seide aufweisen – bei hohen Temperaturen wirkt es kühlend und bei Kälte hat es einen wärmenden Effekt.
Typische Hersteller von Outdoor-Bekleidung aus Hanf:
Outdoor-Bekleidung aus Hanf eignet sich perfekt für:
- sportliche Aktivitäten

Kaffee – Vom Kaffeeabfall zur naturverbundenen Bekleidungsfaser
Kaffee ist nicht nur ein leckerer Muntermacher, er kann inzwischen auch in Funktionsbekleidung eine hervorragende Figur machen. Unter anderem hat sich die österreichische Marke Schöffel das nachwachsende und viel konsumierte Naturprodukt vorgenommen und eine eigene Funktionsfaser daraus entwickelt – S. Café.
Die Textilfasern bestehen aus (bisher leider noch nicht nachhaltigem) Polyester, das mit recyceltem Kaffeesatz angereichert wird. Durch die natürlichen Eigenschaften des Kaffees eignen sich diese Textilien bestens für Outdoor-Produkte: Sie hemmen Gerüche, trocknen schnell und bieten auch bei mehrtägigen Touren ein angenehmes Tragegefühl. Das Potential von Kaffee für die Textilindustrie scheint enorm, weil die Abfälle sonst in der Regel einfach entsorgt werden. Kaffee belebt dich also nicht nur, wenn du ihn trinkst.
Typische Hersteller von Outdoor-Bekleidung aus Kaffee:
Outdoor-Bekleidung aus Kaffee eignet sich perfekt für:
- heiße Sommertage, sportliche Aktivitäten

Von Mutter Natur stammend, aber nicht automatisch nachhaltig
Naturfasern und Stoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen – sei es tier- oder pflanzenbasiert – können eine nachhaltigere Alternative als Kunststoffe sein. Ein Vorteil beinahe aller Naturfasern ist, dass sie im Gegensatz zu Kunststofffasern wie Polyester biologisch abbaubar sind.
Aber längst nicht alle Kleidungsstücke aus Naturfasern sind so nachhaltig, wie sie scheinen. Selbst wenn die eigentliche Produktion möglichst nachhaltig passiert, vergrößern zum Beispiel weite Transportwege ihren ökologischen Fußabdruck wieder. Außerdem werden längst nicht alle Naturfasern nachhaltig hergestellt. Wir haben zum Beispiel Baumwolle absichtlich aus dieser Liste weggelassen. Baumwolle ist zwar in der Bekleidungsindustrie äußerst beliebt, aber zum einen hat die Faser kaum funktionale Eigenschaften, mit denen sie im Outdoor-Einsatz punkten könnte.
Und wichtiger noch: Bei der industriellen Produktion und Verarbeitung von Baumwolle werden Unmengen an Wasser verbraucht, was diese Naturfaser in den allerseltensten Fällen zu einer nachhaltigen Lösung macht.
Aber mit bewusstem Konsum und einer durchdachten Produktion kannst du mit Materialien von Mutter Natur durchaus in die richtige Richtung gehen, wenn du umweltbewusst handeln willst.